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Beraten - bezeugen - befreien


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, dass sich Beratung, Psychotherapie und Seelsorge vertragen?

Reinhold Ruthe


Meine Arbeit kennzeichne ich als „beratende und therapeutische Seelsorge“. Therapeutische Seelsorge ist wesensnotwendig biblische Seelsorge. Der eigentliche Seelsorger ist Jesus Christus. Wir sind seine Helfer und Mitarbeiter. „Alle eure Sorgen werft auf ihn; er sorgt für euch“ (1. Petr. 5,7).

Professor Werner Jentsch hat die Hauptaktivitäten des Seelsorgers mit „Beraten - Bezeugen - Befreien“ treffend charakterisiert. Beratung ist zu verstehen als ein Prozess, in dessen Verlauf die Ratsuchenden befähigt werden, mit ihren Fragen und Problemen besser umzugehen und auf dem Hintergrund der Bibel neue Lösungen zu erarbeiten.

Therapeutisch meint zweierlei: Das griechische Wort therapeuo meint „dienen“ und „helfen“. Therapeutische Seelsorger müssen keine Psychotherapeuten und Ärzte sein, sondern berufene Mitarbeiter unseres Herrn. Jesus hat seine Jünger berufen, zu predigen und zu heilen (Mark. 6, Matth. 10). Wortzeugnis und Tatzeugnis, Glaubenshilfe und Lebenshilfe gehören unverbrüchlich zusammen. Auf der anderen Seite werden methodische und wissenschaftliche Hilfen aus den Humanwissenschaften mit verwendet.

Seele (gr. psyche) meint den ganzen Menschen. Nicht der Mensch hat eine Seele, der Mensch ist Seele. Adam und Eva und alle Kinder und Kindeskinder, die nach ihnen geboren wurden, sind Seelen.

Beratende und therapeutische Seelsorge ist ganzheitliche Seelsorge, die den Menschen nach Leib, Seele und Geist meint. Immer mehr Christen erkennen, dass Glaubensfragen nahtlos mit Leib und Seele verbunden sind. Gelebter Glaube spiegelt sich im Denken, Fühlen und Handeln wider. Er tangiert alle Bereiche unserer Existenz. Gestörte Beziehungen zu Gott wirken sich auch in körperlichen und seelischen Krankheiten und Störungen aus. Gott liebt in Christus den ganzen Menschen. Weil das so ist, gehören Ängste, Zwänge, Erziehungsprobleme, Partnerschaftskonflikte, sexuelle Störungen und psychosomatische Beschwerden zu den Tätigkeitsbereichen therapeutischer Seelsorge. Seit dem Sündenfall ist eine dreifache Beziehungsstörung eingetreten. Der Mensch hat Beziehungsstörungen zum lebendigen Gott, zum Mitmenschen und zu sich selbst.

Die Wiederherstellung intakter Beziehungen auf allen drei Ebenen ist das zentrale Thema der Bibel. „Alle sind schuldig geworden und haben die Herrlichkeit verscherzt, die Gott ihnen geschenkt hatte. Aber Gott hat mit ihnen Erbarmen und nimmt sie wieder an. Das ist ein reines Geschenk. Durch Jesus Christus hat er uns aus der Gewalt der Sünde befreit (Röm. 3,23+24). Diese dreifache Beziehungsstörung ist Gegenstand der therapeutischen Seelsorge.

Zum Heilsein des Menschen gehört seinem Wesen nach die Wiederherstellung der Gottesbeziehung. Gott bietet uns in der Menschwerdung Jesu Christi, durch seinen Tod und die Auferstehung die innige Gemeinschaft mit ihm wieder an. Diese Umkehr und Kehrtwendung des Menschen kann keine Therapie und Beratung schaffen. Sie ist einzig und allein Geschenk des Heiligen Geistes.

Kranksein offenbart unsere ganzheitliche Heilungsbedürftigkeit. Therapeutische Seelsorge fragt nach dem verzerrten Gottes- und Glaubensbild, nach Misstrauen Gott gegenüber, nach tiefsitzenden Selbstwertstörungen, nach ungeistlicher Leistungsfrömmigkeit, nach Verantwortungslosigkeit, nach einer unverbindlichen Lebenshaltung. „Die eigentliche Wunde bleibt stets die gestörte oder fehlende Beziehung des Menschen zu seinem Schöpfer. Sie ist die Ursache des privaten und kollektiven Unheils in dieser Welt. Um diesen Zusammenhang deutlich zu machen, ist Jesus auf die Erde gekommen“ (Jörg Müller, „Und heilt alle Gebrechen“, J.F. Steinkopf Verlag, Stuttgart 1989, S. 43).

Der Therapeutische Seelsorger will nicht für den Ratsuchenden entscheiden, er will ihm beim Entwirren von Schwierigkeiten beistehen. Beide sind engagiert und versuchen gemeinsam, die Probleme zu erhellen. Therapeutische Seelsorge will dem Ratsuchenden eine Entscheidungshilfe anbieten. Die Verantwortung übernimmt einzig und allein der Ratsuchende.

Therapeutische Seelsorger sind „Geburtshelfer“ für Problemlösungen des Ratsuchenden. Der Seelsorger bespricht im Angesichte Gottes die Konflikte und erarbeitet mit dem Ratsuchenden Lösungen, die menschlich und geistlich zu verantworten sind. Therapeutische Seelsorger erarbeiten die Motive und Beweggründe des Ratsuchenden. „Der Mensch hält alles, was er tut, für richtig; Gott aber prüft die Beweggründe“ (Sprüche 16,1). Die geheimen, versteckten und oft unbewussten Ziele und Wünsche, die sich hinter seinem Handeln verbergen, müssen ans Licht. Hat der Mensch seine verborgenen Motive erkannt, kann er Buße tun. Er kann seine Gesinnung ändern, er kann mit Gottes Hilfe seine Lebenseinstellung korrigieren.

Reinhold Ruthe,
Eheberater, Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche,
Ausbildungsleiter für beratende und therapeutische Seelsorge.
el shalom Freundesbrief November 2000


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