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Segnung und Salbung



Viele Menschen sehnen sich nach symbolischer und ritueller Vergewisserung ihres Glaubens. Eine Antwort auf diese Sehnsucht stellen Segnung und Salbung als Mittel der Seelsorge dar. Nach Hebr. 6, 2 gehört das Handauflegen zu den Grundlagen des christlichen Glaubens. In einer durch fortschreitende Individualisierungsschübe weiter abkühlenden Gesellschaft erhält die körperliche Berührung durch die Handauflegung während der Segnung einen besonderen Stellenwert. Sie symbolisiert dem Seelsorge Suchenden auf körperliche Weise die Zuwendung und Nähe Gottes. Auch die Salbung kann in ihrer Bedeutung im an Symbolen und Ritualen armen Protestantismus nicht überschätzt werden. Wie die Handauflegung vermag sie andere Schichten des Menschen zu erreichen als das Wort allein. Handauflegung und Salbung zeigen: Wenn Gott redet, wird der ganze Mensch mit Leib, Seele und Geist angesprochen. Leibliche Segensgesten machen deutlich: Glaube ist nicht nur eine Sache der Innerlichkeit, sondern betrifft das ganze Leben.

Der Segen ist ein wesentlicher Aspekt von Gottes Handeln: Neben Gottes rettendem Handeln bezeugt die Bibel dessen segnendes Handeln. Für das Alte Testament ist Segen eine Erscheinung, die nicht typisch israelitisch ist, sondern auch in der Umgebung des Gottesvolkes vorkommt. Von Anfang an wird jedoch hervorgehoben: Der Gott Israels ist die einzige und wahre Quelle allen Segens. Der Segen wird erfahren in den natürlichen Prozessen von Wachstum und Gedeihen, von Erfolg haben und Gelingen. In dem allen erkennt der Gläubige das Wirken Gottes: 5. Mose 7, 13ff; 28, 3-14. Im Alten Testament wird der Segen Gottes vor allem an reicher Nachkommenschaft, Landbesitz, Viehreichtum, Vermögen, langem Leben und bleibendem Andenken sichtbar. Daneben umfaßt er jedoch auch ein gehorsames Herz. Das zeigt besonders eindrücklich das Gespräch Salomos mit Gott nach seinem Regierungsantritt. Gott gewährt ihm einen Wunsch. Salomo wünscht sich ein gehorsames Herz, um zu unterscheiden, was gut und böse ist (1. Kön 3, 9).

Umgekehrt wird im Neuen Testament die materielle Seite des göttlichen Segens nicht ausgeblendet, wie ein weitverbreitetes Mißverständnis suggeriert. Jesus verheißt seinen Jüngern, daß sie bereits in dieser Welt vielfach wieder empfangen, wenn sie Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder um des Reiches Gottes willen verlassen haben (Lk 18, 28ff). Der Segen wird im Neuen Testament nicht vergeistigt, sondern behält eine handfeste materiell sichtbare Dimension. Allerdings erlaubt menschliches Wohlergehen nicht den Rückschluß auf ein Gott wohlgefälliges Leben bzw. den Segen Gottes. Der 73. Psalm bleibt in Kraft, in dem der Psalmist angesichts des guten Lebens derjenigen, die nicht nach Gott fragen, in tiefe Anfechtungen stürzt: „Ich aber wäre fast gestrauchelt mit meinen Füßen; mein Tritt wäre beinahe geglitten. Denn ich ereiferte mich über die Ruhmredigen, als ich sah, daß es den Gottlosen so gut geht ... So sann ich nach, ob ich’s begreifen könnte, aber es war mir zu schwer, bis ich ging in das Heiligtum Gottes und merkte auf ihr Ende“ (V. 2f; 16f). Gerade in der Seelsorge sollte berücksichtigt werden, daß der Segen für das Neue Testament an der Verborgenheit des Wirkens Gottes im Kreuz Christi Anteil hat. Wer im Namen Jesu Christi oder im Namen des Geistes Gottes segnet, bejaht damit die Verborgenheit von Gottes Segenswirken. Der Segen kann sich nicht vom Glauben emanzipieren. Gott segnet außer durch Kraft und Vollmacht auch durch Leiden und Ohnmacht. Der Lebensweg Jesu Christi ist hierfür der beste Beleg. Durch sein Leiden und Sterben hat Gott die Menschheit gesegnet, ihr den Weg zu neuem Leben eröffnet.

Der Segen darf auch zu keinem unpersönlich wirksamen Ritus verkommen; über ihm sollte nicht die Verantwortung vergessen werden, die jeder für das eigene Verhalten und damit auch für die Veränderung des Verhaltens besitzt. Genausowenig sollte übersehen werden, daß der persönliche Segen in ein überpersönliches Geschehen eingebunden ist. Diese Erkenntnis würde dazu beitragen, jedes triumphalistische Verständnis des Segens zu überwinden. Nach dem Alten und Neuen Testament ist die Geschichte Gottes mit dem Menschen insgesamt eine Segensgeschichte (1. Mose 1, 28; 8, 21ffd; 12, 1-3; 2. Sam 7, 11-13; Jes 55, 3; Apg 3, 26). Gott beteiligt den Menschen an seinem segnenden Handeln (1. Mose 12, 1-3; 27; 48f). Empfangener Segen überspannt die Generationen (5. Mose 7, 9). Gottes Segen gilt Frommen und Unfrommen, Bösen und Guten (Mt 5, 45; Lk 6, 35). Ziel von Gottes Segenshandeln ist die endgültige Erneuerung der Schöpfung.

Pfarrer Prof. Dr. Peter Zimmerling
Dozent an der Universität Leipzig


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